Monday 27 May 2013

Nur Verrückte und Obdachlose...

...sind in Thailand zu Fuss unterwegs. Dies hat uns ein Tankstellenbesitzer, der vier Jahre in Melbourne gelebt hat, erzählt. Und ich glaube, dass er recht hat. Die Thais, die uns gehend begegnet sind (um vom Abfallsammeln ein paar Baht zu verdienen) boten ein eher zerzaustes und heimatloses Bild. Und wir? Nun, zur Zeit haben wir kein festes Zuhause und mental muss es schon ein wenig an der Farbe blättern damit man in Thailand wandert. Einem Land in dem man für eine Handvoll Franken hunderte Kilometer im klimatisierten Zug zurücklegen kann. Also entsprechen wir vollumfänglich dem Klischee...
Obdachlose und Verrückte...

Weil wir keinen Schlafplatz fanden hielten wir an obgenannter Tankstelle an und fragten den Manager ob wir unser Zelt hier aufstellen könnten. Er bejahte und offerierte uns sogar ein 'Bungalow', das einmal für die Bauarbeiter errichtet wurde. Dieses eher euphemistisch bezeichnete Objekt entpuppte sich zwar als lotteriger Blechunterstand doch man war wenigstens weg vom Boden. Wir kochten unser Abendessen und stellten das Innenzelt auf, um vor Mücken geschützt zu sein. Letzteres erwies sich leider als qualitativ so hochwertig, dass es isolierte - bei Mitternachttemperaturen über 30 °C. Wenige Minuten später badeten wir in unserem Schweiss - schlimmer als in der Sauna in Betzau! Raus aus dem Ding. Zum Glück tragen wir ein Moskitonetz im Rucksack, das wenigstens keine Wärme zurückhielt und uns vor Blutsaugern schützte. Die Nacht war dennoch grauenhaft. Die Minimierung der Kontaktfläche Körper - Schlafmatte nahm 70 % der Zeit in Anspruch. Weitere 5 % fürchteten wir lebendig begraben zu werden. Der viel zu seltene aber böige Wind rüttelte den Unterschlupf bedenklich durch und liess ihn in allen Tonlagen singen. Selten waren wir so froh nach nur zwei Stunden Schlaf aufstehen zu dürfen.
Unser Bungalow und ein typisches Bild der Region

Entschlossen ein solches Fiasko kein zweites Mal zu erleben wanderten wir gleich 33 km bis eine Unterkunft gefunden war. Zu duschen und ein Ventilator zu haben fühlte sich an wie Himmel auf Erden und nichts hätte uns glücklicher machen können. Der Mangel an geeigneten und sicheren Übernachtungsmöglichkeiten ist der Nachteil wenn man in bäuerlich geprägten Gefilden unterwegs ist. 
Das Zelt drohte schon wieder als wir vor einer heruntergekommenen, schäbigen Reihe von Schöpfen hielten, die den dubiosen Namen 'Sanit Love Inn' trug. War dies ein Bordell? Mangels besserer Optionen entschieden wir uns zu bleiben. Kaum betraten wir die angebotene Barracke bestätigt sich der Verdacht auch schon. Ein riesen Poster zierte die Wand. Abgebildet eine vollbusige Blondine, die auf einem muskulösen Mann liegt. Beide nackt. Neben den obligaten Frottiertüchern bekamen wir noch zwei Zahnbürsten mit Zahnpasta und Kondome. Fuss und Handabdrücke auf unmöglichsten Höhen an den Wänden zeugten von den akrobatischen Akten, die dieses Zimmer schon erlebt haben muss... Falls noch ein Körnchen Zweifel in unseren Köpfen war wurde dieses mit dem Nachteinbruch definitiv zerstreut. Hohes Stöhnen, Schreien und Kreischen von links und rechts - der Schallteppich erinnerte an ein heulendens Wolfsrudel, hie und da unterbrochen durch das tiefe Grunzen eines Wildschweines - war unsere Einschlafmusik. Nachdem wir endlich einschlafen konnten klopfte ein Freier um drei Uhr morgens wie wild and unsere Tür. 'No fucking, just sleeping' reichte um ihn zur nächsten Tür zu schicken wo er seinen Beitrag zur Sonate leisten konnte. Wieder ein Stück thailändische Realität hautnah erlebt.
Oben: Das berüchtigte Poster und unsere Morgenüberraschung. Unten: Fussabdruck und WC / Dusche in unserem "Zimmer"...

Es war ein anderer Manager einer Tankstelle, nebenbei noch Traktorengaragebesitzer und Lehrer, der am folgenden Tag zu unserer Rettung kam. Wieder einmal waren wir gestrandet, kein sicherer Platz zum campen, kein Hotel als er auf mich zukam und uns sein Gartenhäuschen anbot. Natürlich gratis aber wir blieben hartnäckig bis er eine Zahl über die Lippen brachte. Es ist einfach unglaublich wie sich immer wieder eine Lösung in scheinbar ausweglosen Situationen anbietet. Wir durften dies nun ein paar Mal erleben. Ein Freund meines Vaters, der Abenteurer Louis Palmer, sprach immer davon wenn ich das Glück hatte ihn zu treffen. Jetzt weiss ich was er meinte.
Das schönste Gartenhäuschen der Welt und unser Zuhause für eine Nacht

Nach all dem und viel mehr, zehntausenden von Schritten, Schweiss und Schmerz verdienten wir uns einen Ruhetag in Phitsanulok. Wie wir es genossen zum ersten Mal die Wäsche in einer Maschine zu waschen (was für ein Luxus!), in der Auswahl all der Läden zu schwimmen und unserem Körper ein wenig Erholung zu gönnen. Langsam aber sicher heilen die Blasen, neue bilden sich immer seltener. Füsse, Knie, Rücken und Schultern gewöhnen sich an die zusätzlichen 20 kg vom Rucksack. Versteht mich nicht falsch, noch haben wir kein schmerzfreier Tag erlebt. Es wäre vermessen dies anzunehmen. Wir sind von 0 auf über einen Halbmarathon pro Tag, gesalzen mit den harten klimatischen Bedingungen und dem Extragewicht. Natürlich schmerzt das. Manchmal sehr. Manchmal weniger. In zwei oder drei Wochen werden diese Nebeneffekte hoffentlich abklingen.
Oben: Touristenfotos von unserem Ruhetag, unten: Zehnagel den ich wegen einer Blase verloren habe (der zweite folgt auch bald) und ein verrottet aussehender kleiner Zeh

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Wir wandern 5000 km quer durch Südostasien um Geld für MAG (Mines Advisory Group) zu sammeln. Es wird verwendet um Laos, Kambodscha und Vietnam von Minen zu befreien. Wenn dir das Projekt und der Blog gefällt dann teile ihn doch mit Freunden, Kollegen und Bekannten. Über Spenden via JustGiving oder dem PC Konto 25-131893-4 (IBAN CH79 0900 0000 2513 1893 4) würden wir uns natürlich sehr freuen. Vielen Dank für die Unterstützung!

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