Thursday 8 August 2013

Volle Ladung Laos

Leider musste ich mit dem letzten Post den vergangenen Ereignissen vorgreifen. Doch dies war ich den Lesern und Spendern schuldig weil Transparenz und Ehrlichkeit wichtig sind. Mit diesem Beitrag versuche ich die Spitalepisode in einen Kontext zu stellen und werde ein paar Worte über die Zukunft verlieren. 

Die letzten 200 km in Laos hatten es definitiv in sich. Es war grundsätzlich ein Konzentrat von all dem, was Laos für uns ausgemacht hat. Hart, strapaziös, nervenbelastend aber auch unglaublich lohnend.

Kinder, die vor einem Tempel spielen und Reisbüschel bevor sie gepflanzt werden...

30 km vor Pakse fanden wir wieder einmal keinen Schlafplatz, ein Guesthouse erst wieder kurz vor der Stadt. Ein regelrechter Tsunami von oben, der die Strassen und Wiesen innert Minutenfrist 5 cm unter Wasser stehen liess, war uns Warnung genug: Zelten im Freien unmöglich! Selbst wenn das Aussenzelt standgehalten hätte, wir wären in einem See geschwommen. Ich fragte die Ladenbesitzerin, bei der wir unterstanden, ob wir hier schlafen könnten. Sie verneinte, meinte aber, dass sie uns zu einem Tempel führe. Dieser Tempel stellte sich als alte Frau heraus, die uns eine Fahrt nach Pakse verkaufen wollte. 30 km für 200'000 Kip (24.-). Ein Abriss sondergleichen, den wir natürlich ausschlugen. Also machten wir uns in der Dämmerung auf die Socken. Bei der ersten verlassenen Hütte frage ich die angrenzenden Bewohner ob wir hier campieren könnten. Statt einer Antwort führten sie uns schnurstracks zu einem grossen Haus auf Stelzen. Der Besitzer bereitete uns ein Nachtlager mit Matratzen, Kissen und Moskitonetz im ersten Stock. Nicht einmal das Zelt wurde benötigt. Wir wurden wärmstens aufgenommen - selbstredend durften wir am nächsten Morgen nichts bezahlen. Dies muss man in Laos akzeptieren. Es goss die ganze Nacht wie aus Eimern. Glück gehabt...

Sich zusammenbrauendes Gewitter mit dramatischem Licht. Ob das ein Omen war?

Nach Pakse, wo wir jeden Komfort hatten, begann der Spass erst recht. Einen fast 50 km Marsch inkl. Stirnlampenabschnitt in kompletter Dunkelheit (bei jedem Auto, das hielt, wusste man nie genau was die Fahrer im Schilde führten - es war nur Buschland und Dschungel weit und breit und wir sahen fast nichts. Unheimlich.) endete in einem scheusslichen Guesthouse. Siehe Video. 


Am nächsten Tag wurden wir von einer Familie mit drei Kindern aufgenommen. Sie hatten weder Strom noch fliessend Wasser doch behandelten uns wie Ehrengäste und offerierten uns sogar zu Essen. Es windete so sehr, dass das Vordach zwar unsere Füsse nicht ganz vor Nässe schützte doch wenigstens ein Dach über dem Kopf. Schweine, Hühner und Hunde begutachteten die Fremdlinge sehr genau. Just bevor wir uns schlafen legten zündeten die Eltern Kerzen um unser Nachtlager an und die Frau betete für uns. Dieser Moment bereitet mir jetzt noch Hühnerhaut und ich hatte Tränen in den Augen. Sie haben nichts doch sind herzensgut und sorgen sich um unser Wohlbefinden. Natürlich haben sie Geld, das sie sicherlich sehr gut hätten gebrauchen können, kategorisch abgelehnt. Was braucht es für eine Überzeugung so zu reagieren wenn man nichts hat? Und was für ein Kontrast zur gierigen Frau, die für laotische Verhältnisse komfortabel lebte uns aber eine Halsabschneiderfahrt anbot.

Die Kinder beim Reis kochen und unser Schlafplatz

Laos wäre nicht Laos wenn wir am darauffolgenden Tag nicht fast wieder verdursteten. Nirgends einigermassen trinkbares Wasser zu finden, 15 km lang. Da man nie weiss was in den Reisfeldern alles eingesetzt wird ist es nicht empfehlenswert daraus zu schlürfen. Eine Tankstelle erlöste uns aus der misslichen Lage. Und Laos wäre nicht Laos wenn Kinder und Erwachsene uns nicht euphorisch zugerufen hätten. Die Arbeit auf den Reisfeldern stoppte jeweils für einige Minuten wenn wir auftauchten. Und nicht wenige Male wurden wir lachend aufgefordert beim Reispflanzen zu helfen. Selbst die Wasserbüffel schauten uns verdutzt an und vergassen zu kauen. Die einzigen Lebewesen, die uns noch blöder angafften waren andere Westler auf Bussen und Motorrädern. Ihnen wollte es nicht in den Kopf was wir da machten und sie brachten ihre Kinnlade nicht mehr hoch. Sie waren so schockiert, dass sie sogar vergassen auf unser Winken zu reagieren.

Man kann sich vorstellen, dass es schwierig ist doofer als der Büffel zu gaffen - aber die Westler brachten das hin...:)

Natürlich fanden wir auch an diesem Abend kein Guesthouse. Dafür kamen wir bei zwei jungen, netten Mönchen im Kloster unter. Als wir ins Zelt krochen, das wir auf einer Plattform unter dem Dach aufbauen durften, beklagte sich Elly über Rückenschmerzen und Kopfweh, ihre Stirn war heiss. Die Körpertemperatur schoss innert einer Stunde von 37.3 auf 38.8. Scheisse. Wir wussten beide, was das hiess. Auf ins Spital. Am nächsten Morgen. Zurück nach Pakse. Die Nacht war stürmisch, der Wind war böig. Plötzlich krachte es laut und das Zelt lag auf uns. Die Aluminiumstange brach unter der Belastung. Auch das noch. In Boxershorts machte ich mich an die Reparatur. Der Regen wurde horizontal unters Dach geblasen sodass wir ohne diese Massnahme klitschnass geworden wären. Ich war es danach sowieso aber Elly blieb trocken. Im Morgengrauen packte ich unsere Sachen. Ein Sammeltaxi und ein Tuktuk brachten uns zum Spital.

Die Figur, wie sie vor fast jedem Tempel zu finden ist, wies uns den Weg zurück...

Den Rest kennen die meisten. Die Diagnose war Dengue, was nichts anderes heisst, als dass die Wanderung für Elly hier zu Ende ist. Für diejenigen, die es nicht wissen: Dengue ist ein viraler Infekt, eine Behandlung gibt es nicht bzw. sie ist rein symptomatisch. Das bis zu 40 Grad hohe Fieber klingt nach einigen Tagen ab und die Krankheit heilt ohne Nachwirkungen aus. In wenigen Fällen nimmt sie einen schweren Verlauf mit inneren Blutungen, die lebensbedrohlich sein können. Dies war bei Elly glücklicherweise nicht der Fall. Einige mögen denken, dass das "normale" Dengue ziemlich harmlos scheint. Das heimtückische ist jedoch, dass es Wochen dauern kann bis man sich nicht mehr schlapp und kraftlos fühlt. An eine Belastung von täglich 35 - 40 km mit (in Ellys Fall) 15 kg am Rücken ist unter diesen Umständen nicht zu denken. Mittlerweile ist das Fieber abgeklungen und die regelmässigen Spitalaufenthalte sind nicht mehr notwendig.

Weitere Impressionen. Links: Kurlige Erosionen wie man sie überall im Süden von Laos findet. Rechts: Regenzeitbach, der sich innert Minuten bildet. Kein guter Platz zum Zelten...

Wie weiter? Diese Frage quälte mich. Aufgeben steht eigentlich nicht in meinem Vokabular. Diejenigen, die mich kennen wissen das. Ich bin bereit für meine Ziele und Träume zu leiden und zu beissen, mich zu quälen. Doch wenn es nicht einem selbst trifft ändert sich die Situation radikal. Wir sind als Team und als Partner in dieses Abenteuer gestartet. Ich wäre ein miserables Teammitglied, ein noch miserablerer Partner und ein lausiger Mensch wenn ich in dieser Situation egoistisch entscheiden und handeln würde. Oberste Priorität hat Elly heil nach Hause zu bringen. Und sie ist im jetzigen Zustand nicht im Stande dies alleine zu tun. Daher habe ich mich dazu entschlossen sie zu begleiten. Ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich bittere Tränen darüber vergoss. Und wenn ich diese Zeilen jetzt schreibe setzt sich ein riesiger Kloss in meiner Kehle fest. Was mir bleibt ist ein Gefühl des Scheiterns und Versagens, das jeder Anflug von Stolz über die bereits gewanderten 2000 und etwas Kilometer im Keim erstickt. Wir haben unser Ziel nicht erreicht. Aber auch wenn es schmerzt weiss ich, dass meine Entscheidung zu 100 % richtig ist. Projekte gibt es noch viele. Elly nur einmal. Ich könnte es mir nie vergeben wenn ihr etwas zustösst.

Doch so leicht lasse ich mich nicht abschütteln. In meinem Kopf ist schon eine Weiterführung der Wanderung geboren. Vorerst nicht in Südostasien. Aber in Europa.  Nachdem ich Elly in guten Händen weiss. Hin und her zu fliegen ist abgastechnisch nicht vertretbar. Ich kann noch nicht aufhören. Zu sehr liebe ich das einfache Leben, nicht zu wissen wo man abends schläft oder ob man zu Trinken findet. Und zu sehr liegen mir die Menschen in Laos am Herzen, für die das gesammelte Geld eine Frage von Leben und Tod sein kann. Vor allem nachdem wir so viel schönes in ihrem Land erleben durften. Und schlussendlich soll auch das abrupte Ende für Elly nicht umsonst gewesen sein. The show must go on. Bald werdet ihr mehr erfahren. Noch ist es aber zu wenig ausgereift. Bis dann bedanken wir uns bei allen Menschen, die an uns gedacht haben, bei den Lesern und den grosszügigen Sponsoren. Weitere Spenden würden uns natürlich unheimlich freuen. Stay tuned...

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