Leider musste ich mit dem letzten Post den vergangenen Ereignissen vorgreifen. Doch dies war ich
den Lesern und Spendern schuldig weil Transparenz und Ehrlichkeit wichtig sind. Mit diesem
Beitrag versuche ich die Spitalepisode in einen Kontext zu stellen und werde ein paar Worte über
die Zukunft verlieren.
Die letzten 200 km in Laos hatten es definitiv in sich. Es war grundsätzlich ein Konzentrat von
all dem, was Laos für uns ausgemacht hat. Hart, strapaziös, nervenbelastend aber auch unglaublich
lohnend.
Kinder, die vor einem Tempel spielen und Reisbüschel bevor sie gepflanzt werden...
30 km vor Pakse fanden wir wieder einmal keinen Schlafplatz, ein Guesthouse erst wieder kurz vor der
Stadt. Ein regelrechter Tsunami von oben, der die Strassen und Wiesen innert Minutenfrist 5 cm
unter Wasser stehen liess, war uns Warnung genug: Zelten im Freien unmöglich! Selbst wenn das
Aussenzelt standgehalten hätte, wir wären in einem See geschwommen. Ich fragte die
Ladenbesitzerin, bei der wir unterstanden, ob wir hier schlafen könnten. Sie verneinte, meinte
aber, dass sie uns zu einem Tempel führe. Dieser Tempel stellte sich als alte Frau heraus, die
uns eine Fahrt nach Pakse verkaufen wollte. 30 km für 200'000 Kip (24.-). Ein Abriss
sondergleichen, den wir natürlich ausschlugen. Also machten wir uns in der Dämmerung auf die
Socken. Bei der ersten verlassenen Hütte frage ich die angrenzenden Bewohner ob wir hier
campieren könnten. Statt einer Antwort führten sie uns schnurstracks zu einem grossen Haus auf
Stelzen. Der Besitzer bereitete uns ein Nachtlager mit Matratzen, Kissen und Moskitonetz im
ersten Stock. Nicht einmal das Zelt wurde benötigt. Wir wurden wärmstens aufgenommen -
selbstredend durften wir am nächsten Morgen nichts bezahlen. Dies muss man in Laos akzeptieren.
Es goss die ganze Nacht wie aus Eimern. Glück gehabt...
Sich zusammenbrauendes Gewitter mit dramatischem Licht. Ob das ein Omen war?
Nach Pakse, wo wir jeden Komfort hatten, begann der Spass erst recht. Einen fast 50 km Marsch
inkl. Stirnlampenabschnitt in kompletter Dunkelheit (bei jedem Auto, das hielt, wusste man nie
genau was die Fahrer im Schilde führten - es war nur Buschland und Dschungel weit und breit und
wir sahen fast nichts. Unheimlich.) endete in einem scheusslichen Guesthouse. Siehe Video.
Am
nächsten Tag wurden wir von einer Familie mit drei Kindern aufgenommen. Sie hatten weder Strom
noch fliessend Wasser doch behandelten uns wie Ehrengäste und offerierten uns sogar zu Essen. Es
windete so sehr, dass das Vordach zwar unsere Füsse nicht ganz vor Nässe schützte doch wenigstens
ein Dach über dem Kopf. Schweine, Hühner und Hunde begutachteten die Fremdlinge sehr genau. Just
bevor wir uns schlafen legten zündeten die Eltern Kerzen um unser Nachtlager an und die Frau
betete für uns. Dieser Moment bereitet mir jetzt noch Hühnerhaut und ich hatte Tränen in den
Augen. Sie haben nichts doch sind herzensgut und sorgen sich um unser Wohlbefinden. Natürlich
haben sie Geld, das sie sicherlich sehr gut hätten gebrauchen können, kategorisch abgelehnt. Was
braucht es für eine Überzeugung so zu reagieren wenn man nichts hat? Und was für ein Kontrast zur
gierigen Frau, die für laotische Verhältnisse komfortabel lebte uns aber eine Halsabschneiderfahrt anbot.
Die Kinder beim Reis kochen und unser Schlafplatz
Laos wäre nicht Laos wenn wir am darauffolgenden Tag nicht fast wieder verdursteten. Nirgends
einigermassen trinkbares Wasser zu finden, 15 km lang. Da man nie weiss was in den Reisfeldern
alles eingesetzt wird ist es nicht empfehlenswert daraus zu schlürfen. Eine Tankstelle erlöste
uns aus der misslichen Lage. Und Laos wäre nicht Laos wenn Kinder und Erwachsene uns nicht
euphorisch zugerufen hätten. Die Arbeit auf den Reisfeldern stoppte jeweils für einige Minuten
wenn wir auftauchten. Und nicht wenige Male wurden wir lachend aufgefordert beim Reispflanzen zu
helfen. Selbst die Wasserbüffel schauten uns verdutzt an und vergassen zu kauen. Die einzigen
Lebewesen, die uns noch blöder angafften waren andere Westler auf Bussen und Motorrädern. Ihnen
wollte es nicht in den Kopf was wir da machten und sie brachten ihre Kinnlade nicht mehr hoch.
Sie waren so schockiert, dass sie sogar vergassen auf unser Winken zu reagieren.
Man kann sich vorstellen, dass es schwierig ist doofer als der Büffel zu gaffen - aber die Westler brachten das hin...:)
Natürlich fanden
wir auch an diesem Abend kein Guesthouse. Dafür kamen wir bei zwei jungen, netten Mönchen im
Kloster unter. Als wir ins Zelt krochen, das wir auf einer Plattform unter dem Dach aufbauen
durften, beklagte sich Elly über Rückenschmerzen und Kopfweh, ihre Stirn war heiss. Die
Körpertemperatur schoss innert einer Stunde von 37.3 auf 38.8. Scheisse. Wir wussten beide, was
das hiess. Auf ins Spital. Am nächsten Morgen. Zurück nach Pakse. Die Nacht war stürmisch, der Wind war böig.
Plötzlich krachte es laut und das Zelt lag auf uns. Die Aluminiumstange brach unter der
Belastung. Auch das noch. In Boxershorts machte ich mich an die Reparatur. Der Regen wurde
horizontal unters Dach geblasen sodass wir ohne diese Massnahme klitschnass geworden wären. Ich
war es danach sowieso aber Elly blieb trocken. Im Morgengrauen packte ich unsere Sachen. Ein
Sammeltaxi und ein Tuktuk brachten uns zum Spital.
Die Figur, wie sie vor fast jedem Tempel zu finden ist, wies uns den Weg zurück...
Den Rest kennen die meisten. Die Diagnose war Dengue, was nichts anderes heisst, als dass die
Wanderung für Elly hier zu Ende ist. Für diejenigen, die es nicht wissen: Dengue ist ein viraler
Infekt, eine Behandlung gibt es nicht bzw. sie ist rein symptomatisch. Das bis zu 40 Grad hohe
Fieber klingt nach einigen Tagen ab und die Krankheit heilt ohne Nachwirkungen aus. In wenigen
Fällen nimmt sie einen schweren Verlauf mit inneren Blutungen, die lebensbedrohlich sein können.
Dies war bei Elly glücklicherweise nicht der Fall. Einige mögen denken, dass das "normale" Dengue
ziemlich harmlos scheint. Das heimtückische ist jedoch, dass es Wochen dauern kann bis man sich nicht
mehr schlapp und kraftlos fühlt. An eine Belastung von täglich 35 - 40 km mit (in Ellys Fall) 15
kg am Rücken ist unter diesen Umständen nicht zu denken. Mittlerweile ist das Fieber abgeklungen
und die regelmässigen Spitalaufenthalte sind nicht mehr notwendig.
Weitere Impressionen. Links: Kurlige Erosionen wie man sie überall im Süden von Laos findet. Rechts: Regenzeitbach, der sich innert Minuten bildet. Kein guter Platz zum Zelten...
Wie weiter? Diese Frage quälte mich. Aufgeben steht eigentlich nicht in meinem Vokabular.
Diejenigen, die mich kennen wissen das. Ich bin bereit für meine Ziele und Träume zu leiden und
zu beissen, mich zu quälen. Doch wenn es nicht einem selbst trifft ändert sich die Situation
radikal. Wir sind als Team und als Partner in dieses Abenteuer gestartet. Ich wäre ein miserables
Teammitglied, ein noch miserablerer Partner und ein lausiger Mensch wenn ich in dieser
Situation egoistisch entscheiden und handeln würde. Oberste Priorität hat Elly heil nach Hause
zu bringen. Und sie ist im jetzigen Zustand nicht im Stande dies alleine zu tun. Daher habe ich
mich dazu entschlossen sie zu begleiten. Ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich bittere Tränen
darüber vergoss. Und wenn ich diese Zeilen jetzt schreibe setzt sich ein riesiger Kloss in meiner
Kehle fest. Was mir bleibt ist ein Gefühl des Scheiterns und Versagens, das jeder Anflug von Stolz über die
bereits gewanderten 2000 und etwas Kilometer im Keim erstickt. Wir haben unser Ziel nicht
erreicht. Aber auch wenn es schmerzt weiss ich, dass meine Entscheidung zu 100 % richtig ist.
Projekte gibt es noch viele. Elly nur einmal. Ich könnte es mir nie vergeben wenn ihr etwas
zustösst.
Doch so leicht lasse ich mich nicht abschütteln. In meinem Kopf ist schon eine Weiterführung der
Wanderung geboren. Vorerst nicht in Südostasien. Aber in Europa. Nachdem ich Elly in guten Händen weiss.
Hin und her zu fliegen ist abgastechnisch nicht vertretbar. Ich kann noch nicht aufhören. Zu sehr liebe ich das einfache Leben, nicht zu wissen wo man abends
schläft oder ob man zu Trinken findet. Und zu sehr liegen mir die Menschen in Laos am Herzen, für
die das gesammelte Geld eine Frage von Leben und Tod sein kann. Vor allem nachdem wir so viel
schönes in ihrem Land erleben durften. Und schlussendlich soll auch das abrupte Ende für Elly
nicht umsonst gewesen sein. The show must go on. Bald werdet ihr mehr erfahren. Noch ist es aber
zu wenig ausgereift. Bis dann bedanken wir uns bei allen Menschen, die an uns
gedacht haben, bei den Lesern und den grosszügigen Sponsoren. Weitere Spenden würden uns
natürlich unheimlich freuen. Stay tuned...
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